eso2007de-be — Pressemitteilung Wissenschaft
Unsichtbares Objekt besitzt zwei mit dem Auge sichtbare Begleitsterne
6. Mai 2020
Eine Gruppe von Astronomen der Europ?ischen Südsternwarte (ESO) und anderer Institute hat ein Schwarzes Loch entdeckt, das nur 1000 Lichtjahre von der Erde entfernt liegt. Das Schwarze Loch ist n?her an unserem Sonnensystem als jedes andere bisher gefundene und ist Teil eines Dreifachsystems, das mit dem blo?en Auge sichtbar ist. Das Team fand den Nachweis für das unsichtbare Objekt, indem es seine beiden Begleitsterne mit dem 2,2-Meter-Teleskop MPG/ESO am La-Silla-Observatorium der ESO in Chile nachverfolgte. Sie sagen, dass dieses System nur die Spitze des Eisbergs sein k?nnte, da in Zukunft noch viele weitere ?hnliche Schwarze L?cher gefunden werden k?nnten.
?Wir waren v?llig überrascht, als wir feststellten, dass dies das erste Sternsystem mit einem Schwarzen Loch ist, das man mit blo?em Auge sehen kann“, sagt Petr Hadrava, emeritierter Wissenschaftler an der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik in Prag und Mitverfasser der Forschungsarbeit. Das System befindet sich im Sternbild Telescopium und ist uns so nahe, dass seine Sterne von der Südhalbkugel aus in einer dunklen, klaren Nacht ohne Fernglas oder Teleskop beobachtet werden k?nnen. ?Dieses System enth?lt das der Erde n?chstgelegene Schwarze Loch, von dem wir wissen“, sagt der ESO-Wissenschaftler Thomas Rivinius, der die heute in Astronomie & Astrophysik ver?ffentlichte Studie leitete.
Das Team beobachtete das System mit der Bezeichnung HR 6819 ursprünglich als Teil einer Studie über Doppelsternsysteme. Als sie ihre Beobachtungen analysierten, waren sie jedoch verblüfft, als sie einen dritten, bisher unentdeckten K?rper in HR 6819 entdeckten: ein Schwarzes Loch. Die Beobachtungen mit dem FEROS-Spektrographen am MPG/ESO-2,2-Meter-Teleskop in La Silla zeigten, dass einer der beiden sichtbaren Sterne alle 40 Tage ein unsichtbares Objekt umkreist, w?hrend der zweite Stern sich in gro?er Entfernung von diesem inneren Paar befindet. Dietrich Baade, emeritierter Astronom an der ESO in Garching und Mitautor der Studie, sagt: ?Die Beobachtungen, die zur Bestimmung des Zeitraums von 40 Tagen notwendig waren, mussten über mehrere Monate verteilt werden. Dies war nur dank des bahnbrechenden Service-Beobachtungsschemas der ESO m?glich, bei dem die Beobachtungen von ESO-Mitarbeitern im Namen der Wissenschaftler, die sie ben?tigen, durchgeführt werden“.
Das verborgene Schwarze Loch in HR 6819 ist eines der allerersten gefundenen Schwarzen L?cher mit stellarer Masse, die nicht gewaltsam mit ihrer Umgebung interagieren und daher wirklich schwarz erscheinen. Aber die Forscher konnten seine Anwesenheit ausmachen und seine Masse berechnen, indem sie die Umlaufbahn des Sterns im inneren Paar untersuchten. ?Ein unsichtbares Objekt mit einer Masse, die mindestens viermal so gro? ist wie die der Sonne, kann nur ein Schwarzes Loch sein“, folgert Rivinius, der in Chile ans?ssig ist.
Astronomen haben bisher nur ein paar Dutzend Schwarze L?cher in unserer Galaxie entdeckt, die fast alle in starker Interaktion mit ihrer Umgebung stehen und ihre Anwesenheit durch die Freisetzung starker R?ntgenstrahlung in dieser Wechselwirkung verraten. Wissenschaftler sch?tzen jedoch, dass im Laufe der Lebenszeit der Milchstra?e viel mehr Sterne zu Schwarzen L?chern kollabierten, als diese ihr Leben beendeten. Die Entdeckung eines stillen, unsichtbaren Schwarzen Lochs in HR 6819 gibt Hinweise darauf, wo sich die vielen versteckten Schwarzen L?cher in der Milchstra?e befinden k?nnten. ?Es muss Hunderte von Millionen Schwarzer L?cher geben, aber wir wissen nur von sehr wenigen. Wenn wir wissen, wonach wir suchen müssen, sollten wir besser in der Lage sein, sie zu finden“, sagt Rivinius. Baade fügt hinzu, dass die Suche nach einem Schwarzen Loch in einem Dreifachsystem so nahe beieinander bedeutet, dass wir nur ?die Spitze eines aufregenden Eisbergs“ sehen. Schon jetzt glauben die Astronomen, dass ihre Entdeckung Aufschluss über ein zweites System geben k?nnte. ?Wir erkannten, dass ein anderes System, genannt LB-1, ebenfalls ein solches Dreifachsystem sein k?nnte, auch wenn wir mehr Beobachtungen ben?tigen würden, um dies sicher sagen zu k?nnen“, sagt Marianne Heida, eine Postdoc-Stipendiatin der ESO und Mitautorin der Arbeit. ?LB-1 ist etwas weiter von der Erde entfernt, aber astronomisch gesehen immer noch ziemlich nah, was bedeutet, dass wahrscheinlich noch viel mehr dieser Systeme existieren. Wenn wir sie finden und untersuchen, k?nnen wir viel über die Entstehung und Entwicklung dieser seltenen Sterne lernen, die ihr Leben mit mehr als etwa der achtfachen Masse der Sonne beginnen und in einer Supernova-Explosion enden, die ein Schwarzes Loch hinterl?sst.“
Die Entdeckungen dieser Dreifachsysteme mit einem inneren Paar und einem fernen Stern k?nnten auch Hinweise auf die heftigen kosmischen Verschmelzungen liefern, die Gravitationswellen freisetzen, die stark genug sind, um auf der Erde entdeckt zu werden. Einige Astronomen glauben, dass diese Verschmelzungen in Systemen mit einer ?hnlichen Konfiguration wie HR 6819 oder LB-1 stattfinden k?nnen, bei denen das innere Paar jedoch aus zwei Schwarzen L?chern oder aus einem Schwarzen Loch und einem Neutronenstern besteht. Das entfernte ?u?ere Objekt kann das innere Paar durch Gravitation so beeinflussen, dass es eine Verschmelzung und die Freisetzung von Gravitationswellen herbeiführt. Obwohl HR 6819 und LB-1 nur ein Schwarzes Loch und keine Neutronensterne haben, k?nnten diese Systeme den Wissenschaftlern helfen zu verstehen, wie es zu Sternkollisionen in Dreifachsternsystemen kommen kann.
Weitere Informationen
Diese Forschung wurde in dem heute in Astronomy & Astrophysics ver?ffentlichten Artikel "A naked-eye triple system with a nonaccreting black hole in the inner binary" vorgestellt.
Das Team besteht aus Th. Rivinius (Europ?ische Südsternwarte, Santiago, Chile), D. Baade (Europ?ische Südsternwarte, Garching, Deutschland [ESO Deutschland]), P. Hadrava (Astronomisches Institut, Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, Prag, Tschechische Republik), M. Heida (ESO Deutschland) und R. Klement (The CHARA Array of Georgia State University, Mount Wilson Observatorium, Mount Wilson, USA).
Die Europ?ische Südsternwarte (engl. European Southern Observatory, kurz ESO) ist die führende europ?ische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Die Organisation hat 16 Mitgliedsl?nder: Belgien, D?nemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Gro?britannien, Irland, Italien, die Niederlande, ?sterreich, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Hinzu kommen das Gastland Chile und Australien als strategischer Partner. Die ESO führt ein ehrgeiziges Programm durch, das sich auf die Planung, den Bau und den Betrieb leistungsf?higer bodengebundener Beobachtungseinrichtungen konzentriert, die es Astronomen erm?glichen, wichtige wissenschaftliche Entdeckungen zu machen. Auch bei der F?rderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine ma?gebliche Rolle. Die ESO verfügt über drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Chile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO das Very Large Telescope (VLT) und das weltweit führende Very Large Telescope Interferometer sowie zwei Durchmusterungsteleskope: VISTA im Infrarotbereich und das VLT Survey Telescope (VST) für sichtbares Licht. Am Paranal wird die ESO zukünftig au?erdem das Cherenkov Telescope Array South beherbergen und betreiben, das gr??te und empfindlichste Gammastrahlenobservatorium der Welt. Die ESO ist zus?tzlich einer der Hauptpartner bei zwei Projekten auf Chajnantor, APEX und ALMA, dem gr??ten astronomischen Projekt überhaupt. Auf dem Cerro Armazones unweit des Paranal errichtet die ESO zur Zeit das Extremely Large Telescope (ELT) mit 39 Metern Durchmesser, das einmal das gr??te optische Teleskop der Welt werden wird.
Die übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische ?ffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsl?ndern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.